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 Verstehen Sie manchmal nur Bahnhof?

Leichte Sprache nimmt alle mit. Verkehrsunternehmen machen es ihren Fahrgästen aber oft schwer, meint Flora Geske vom Start-up SUMM AI.

Bei einem Pitch der db mindbox auf der Messe InnoTrans war SUMM AI erfolgreich. Das Münchener Start-up hat ein Übersetzungstool für Leichte Sprache entwickelt und ist eingeladen, es in einer Anwendung für DB Regio umzusetzen. Flora Geske (im Bild links) ist CEO und zusammen mit Nicholas Wolf und Vanessa Theel Gründerin des Unternehmens.  

RegioSignaleBlog: Das Ziel der Leichten Sprache ist Barrierefreiheit und Inklusion. Über wie viele Menschen, die mit komplizierten Worten und Sätzen Probleme haben, reden wir da?

Flora Geske: Es geht um mehr als zehn Millionen Menschen allein in Deutschland – das ist die offizielle, aber eher konservativ geschätzte Zahl. Konkret sind das Menschen, die Bildungsnachteile oder Lernschwierigkeiten haben, ältere Menschen, aber auch Menschen, die Deutsch als Fremdsprache sprechen. Wahrscheinlich kennt fast jeder und jede jemanden, der oder die zur Zielgruppe gehört, bei mir ist das zum Beispiel meine Tante. Daher stammt übrigens auch die Idee einer KI für die Übersetzung in Leichte Sprache.      

RegioSignaleBlog: Liegt das Problem immer an den persönlichen Voraussetzungen oder auch daran, dass die Inhalte in einer komplizierten Welt immer komplizierter werden?  

Flora Geske: Das liegt auch an den Inhalten, aber ganz oft daran, wie sie rübergebracht werden. Ein Beispiel: In einem Text über die Gaspreisbremse, den ich kürzlich gelesen habe, hat sich der eigentlich ganz gut nachvollziehbare Zusammenhang hinter einer schwer verständlichen Sprache versteckt. Dass die Dinge am Ende weniger kompliziert sind, als sie sich lesen, ist oft der Fall. Als ich mir die Fahrgastrechte bei der DB angeschaut habe, weil ich wissen wollte, welche Alternativen ich bei einer Verspätung nutzen darf, bin ich über Begriffe wie „höherwertiger Zug“ und „Produktübergang“ gestolpert. Da musste ich erst einmal nachdenken, was das heißt.  

RegioSignaleBlog: Wie verständlich ist denn generell die Sprache, die Verkehrsunternehmen ihren Kundinnen und Kunden zumuten?  

Flora Geske: Es gibt einen Jargon, wie in vielen Unternehmen und Arbeitsfeldern, also viele Fachwörter und Begriffe, die sich etabliert haben, die aber sehr abstrakt und nicht beschreibend sind. Die Mitarbeitenden gehen jeden Tag damit um, die Kundinnen und Kunden können sich darunter wahrscheinlich oft kaum etwas vorstellen.  

RegioSignaleBlog: Lassen sich Begriffe wie „Taktverdichter“, „Tagesrandlage“ oder „Schienenersatzverkehr“ eigentlich übersetzen oder sollte man besser ganz neue erfinden? 

Flora Geske: Eine gute Frage. Wir sind da am Anfang etwas naiv rangegangen, mussten aber feststellen, dass zum Beispiel die Worte „Triebfahrzeugführer“ und „Lokführer“ nicht einfach Synonyme sind, sondern Unterschiedliches bedeuten. Manchmal müssen Begriffe kompliziert sein, damit sie genau sind, damit sie alle Fälle mitberücksichtigen. Das Schöne an der Leichten Sprache ist, dass man solche Begriffe stehenlassen kann, aber trotzdem jeden mitnimmt. Schwierige Worte und Zusammenhänge werden nämlich zusätzlich so erklärt, dass sie jeder versteht.  

RegioSignaleBlog: Wie groß ist das Risiko, dass mit der Übersetzung komplizierterer Inhalte in Leichte Sprache Informationsverluste einhergehen? 

Flora Geske: Bei der Übersetzung in Leichte Sprache sinken das Abstraktionsniveau und zum Teil auch der Detailgrad, denn es kann sinnvoll sein, etwas wegzulassen. Die Entscheidung darüber treffen aber nicht wir, unser KI-Tool berücksichtigt den gesamten Bedeutungsinhalt. Ob daran Abstriche gemacht werden können, liegt beim Nutzer oder der Nutzerin unseres Tools, also bei den Fachleuten für den Ausgangstext, die sich unsere Übersetzung anschauen. Wichtig ist dabei auch, dass der Ausgangstext immer der verbindliche Text ist und die Übersetzung in Leichte Sprache nur der Zusatz, der die Verständlichkeit unterstützt.  

RegioSignaleBlog: SUMM greift für die Übersetzung in Leichte Sprache auf eine KI zurück, wie das auch automatisierte Übersetzungen für Fremdsprachen tun. Ist beide miteinander zu vergleichen?   

Flora Geske: Tatsächlich ist die Übersetzung in Leichte Sprache anders und technisch komplexer. Bei fremdsprachlichen Texten funktioniert die automatisierte Übersetzung Wort für Wort und Satz für Satz sehr gut, bei der Übersetzung in Leichte Sprache ist der ganze Kontext wichtig. Da geht es dann um Dimensionen wie Abstraktionsgrad, Zusammenfassung, Sprachstil und auch Textformatierung, damit der Inhalt auch leicht erfassbar ist. Wir sind super stolz darauf, dass wir die Ersten sind, die das in einer guten Qualität hingekriegt haben.  

RegioSignaleBlog: Der gewonnene Pitch gibt SUMM jetzt die Möglichkeit, eine Kundenanwendung für DB Regio auf die Beine zu stellen. Was ist da gerade in Arbeit?  

Flora Geske: Da sind wir selbst ganz gespannt! Wir haben im Pitch einen ganzen Strauß möglicher Anwendungen entlang der Customer Journey aufgezeigt. Daran waren einige Bereiche bei DB Regio interessiert. Jetzt laufen die Gespräche, was wir konkret umsetzen.