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 Mobil ans Werk

Gewerbegebiete auf der grünen Wiese sind oft nur mit dem Auto zu erreichen. Für Stadtplanerin Lisa Nieße vom Büro „plan zwei“ ist das keine zukunftsfähige Strategie.

Burgwedel ist eine prosperierende Kleinstadt unweit von Hannover und liegt gleich an der Autobahn. So wie viele Kommunen profitiert sie von ihrer Lage im Einzugsgebiet einer Großstadt und ihrer Straßenverkehrsanbindung. Typisch sind jedoch auch ihre Probleme: Burgwedel wächst der Verkehr über den Kopf. Das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt „mobil ans #werk“ will neue Lösungen finden. Projektpartner sind die Stadt Burgwedel, die TU Dortmund sowie das Stadplanungsbüro „plan zwei“. Lisa Nieße ist Inhaberin und leitet bei „plan zwei“ das Projekt 

RegioSignaleBlog: Burgwedel hat eine hohe Kaufkraft, eine geringe Arbeitslosenquote, Gewerbegebiete mit bedeutenden Unternehmen und ist über eine Autobahn, zwei Bundestraßen und auch über die Schiene verkehrlich erschlossen. Alles bestens, könnte man meinen …   

Lisa Nieße: Wir haben in Burgwedel eigentlich einen Prototyp. Solche Kommunen, solche Gewinner der Suburbanisierung gibt es überall, in ganz Deutschland, in jeder Region. Und die Verkehrswende betrifft ja alle und gerade die Kommunen, die mit dem Pkw-Fokus bisher gut gefahren sind. Solche Städte und Gemeinden sind jetzt auch in der Verantwortung, positive Beispiele zu entwickeln, wie Veränderungen angegangen werden können. Also: Wie können Kommunen, die davon profitiert haben, dass jeder mit dem eigenen Pkw bis vor das Werkstor fahren konnte, neue Mobilitätsmodelle finden und etablieren? Und zwar so, dass auch anderen Kommunen diese Modelle kopieren können.

RegioSignaleBlog: Das heißt, das Entwicklungsmodell von Burgwedel und vielen anderen Kommunen wird zunehmend dysfunktional?

Lisa Nieße:  Die Verkehrsdichte ist das Erste, was sie wahrnehmen, wenn sie nach Burgwedel kommen. Burgwedel ist eine Kleinstadt mit sieben Ortsteilen und drei großen Gewerbegebieten, also einer dispersen Siedlungsstruktur. Der Verkehr geht weit über das hinaus, was man in einer Kommune dieser Größe erwartet. Er zerschneidet und belastet alle. Diejenigen, die dort wohnen oder zugezogen sind, weil es in Burgwedel gute Wohnlagen gibt. Die vielen Ein- und Auspendler, die sich gut überlegen müssen, wie sie ihre Mobilität organisieren. Und die Unternehmen, die immer mehr und größere Stellflächen brauchen, was ja nicht das Zukunftsmodell sein kann. Wir haben mit vielen Unternehmen gesprochen. Für sie geht es nicht nur um verstopfte Straßen, sondern zum Beispiel auch darum, dass ja auch Auszubildende und andere Beschäftigte, die keinen Führerschein haben oder nicht Auto fahren wollen, irgendwie zur Arbeit kommen müssen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein echter Nachteil. Generell sind die Unternehmen für uns ganz wichtige Partner. Wir wollen kooperative Lösungen finden, bei denen die Kommunen und die Unternehmen zusammenarbeiten.   

RegioSignaleBlog: Sie wollen auch an der Mobilitätskultur ansetzen …   

Lisa Nieße: Die Mobilitätskultur muss sich ändern, damit Mobilität nicht immer zuerst mit dem Auto verbunden wird. Es reicht nicht, auf tolle und integrierte Mobilitätsangebote zu setzen, mit denen dann alles besser wird. Das Auto ist für viele Leute mehr als ein Fortbewegungsmittel, es ist auch Rückzugsraum, eine ganz private Umgebung. Uns geht es darum, positive Narrative zu entwickeln, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern das Bild einer veränderten und besseren Mobilität zu entwerfen. Dazu veranstalten wir Lokalarenen, in denen die Menschen ihre Wünsche formulieren. Was die Leute zum Beispiel vermissen, sind Mittelpunkte, wo man sich trifft und begegnet, vielleicht auch etwas essen, trinken und einkaufen kann. Es müsste in jedem Ortsteil einen Bahnhof geben, hat ein Teilnehmer gesagt. Allerdings kann der bestehende Bahnhof dafür zurzeit noch nicht als Vorbild dienen. Der steht im Nirgendwo und bietet im Moment außer einem Parkplatz gar nichts. Das zeigt auch, dass eine Infrastruktur an sich wenig bringt, wenn sie nicht den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer entspricht und wenn das konkrete Angebot und die Anbindung nicht stimmen.

RegioSignaleBlog: Wie muss ihrer Ansicht nach das Verkehrsangebot verbessert werden? 

Lisa Nieße: Ebenfalls im Dialog mit allen Beteiligten, also den Bürgerinnen und Bürgern, der Stadt, dem Fachbereich Verkehr der Region Hannover, den Unternehmen. Die Unternehmen spielen auch hier eine wichtige Rolle. Wenn man beispielsweise Shuttleverkehre in die Gewerbegebiete organisieren will, müssen die ja zu den Arbeits- und Schichtzeiten der Unternehmen passen. Wir müssen also betrachten, wie die Arbeitsprozesse organisiert sind. Wir wollen auch zeigen, was die Unternehmen selbst beitragen, wie sie selbst Verantwortung übernehmen können. Etwa, indem sie den Beschäftigten Leihfahrräder zur Verfügung stellen, Carpooling organisieren oder die Nutzung des ÖPNV fördern. Eine ganz wichtige Gruppe sind außerdem die Ein- und Auspendler, denen wir eine Stimme geben wollen. Pendler haben im Grunde gar keine Lobby. Wo sie herkommen, können ihre Probleme nicht gelöst werden, und wo sie hinfahren, dürfen sie nicht wählen.  

RegioSignaleBlog:  Burgwedel gibt es überall, sagten sie zu Anfang. Soll das Projekt auch zeigen, wie sich solche Kommunen zukunftsfest machen können?   

Lisa Nieße: Natürlich hat das alles mit Zukunftsfähigkeit zu tun. Wie man sich zur Mobilität verhält, ist ein wesentlicher Faktor jeder Stadt- und Standortentwicklung. Immer neue Gewerbegebiete auf der grünen Wiese auszuweisen ist jedenfalls keine Strategie, die man einfach so weiterverfolgen kann.