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 Game on: Spielend in die Verkehrswende

Engagement stärken, Loyalität aufbauen, Kundenbindung festigen – Marketing-Leute schwören auf Gamification. Kein Wunder: Das Spiel mit dem Spieltrieb löst echte Emotionen aus, ermöglicht positive Nutzererfahrungen und erhöht so die Kaufbereitschaft. Aber funktioniert der Trick auch, wenn es darum geht, Autofahrer:innen das Rad, den ÖPNV oder die Verkehrswende schmackhaft zu machen?

Diane Crone und Marc Harris sind sich sicher, dass es klappen kann. „Unsere Forschung zeigt, dass Gamification Menschen dazu ermuntern kann, das Auto stehen zu lassen und stattdessen zu Fuß, mit dem Roller oder dem Rad zur Schule oder zur Arbeit zu kommen“, schreiben die beiden britischen Wissenschaftler:innen im Abschlussbericht ihres Gamification-Projekts „Beat the Street“. Dabei konnten Bewohner:innen und Besucher:innen des Londoner Stadtteils Hounslow einzeln oder in Teams Punkte für Strecken sammeln, die sie ohne Auto zurückgelegt hatten. Wer am Ende der sechswöchigen Spielzeit die meisten Punkte gesammelt hatte, erhielt einen Gutschein. Insgesamt 28.000 Menschen machten mit, der morgendliche Autoverkehr nahm um bis zu 53 Prozent ab. Für viele andere britische Städte gute Gründe, sich ebenfalls zu beteiligen. 

Fraunhofer-Institut spielt auch mit

Erledigt sich die Verkehrswende also von selbst, wenn wir künftig alle „Beat the Street“ spielen? Ganz so einfach ist es leider nicht, denn der Dreh mit dem Spieltrieb ist kein Selbstläufer:  Petrol Heads, die partout nicht auf ihr Auto verzichten wollen, kommen erst gar nicht auf die Idee teilzunehmen. Gamification erreicht nur einen Teil der potenziellen Zielgruppe, und nicht alle, die man damit erreicht, sprechen auf dieselben Komponenten an. Während des Spielverlaufs entstandene Verhaltensänderung sind nicht von Dauer, weil sie dem Alltag nicht standhalten – die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. 

Das weiß auch Harris, hält aber entgegen, dass Gamification soziale Normen beeinflussen kann und dadurch eine sehr hohe Hebelwirkung erzielt. „Wenn es mit einem Mal positiver besetzt ist, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen, als das Auto zu benutzen“, so Harris, führe das zu langfristigen Verhaltensänderungen auf persönlicher Ebene. 

In einer Sache sind sich Skeptiker und Anhänger allerdings einig: Ohne vernünftige Infrastruktur und ein attraktives ÖPNV-Angebot wird auch der beste Gamification-Ansatz scheitern. Vielleicht liegt die Wahrheit ja wie so oft in der Mitte. Das Fraunhofer-Institut entwickelt gerade ein Spiel auf Basis realistischer Umwelt-, Verkehrs- und Verhaltensmodelle. Die dabei gewonnenen Daten sollen dann die Weiterentwicklung der Mobilitätswende beschleunigen. 

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